Einmal und nie wieder

Henry James – Die Gesandten

Das Buch war gut genug, um mich durch eine langweilige Vorlesung (BWL? Ökologie!) zu bringen, aber unterhaltsamer als diese war es ganz sicher auch nicht. Die Grundidee ist eigentlich ganz interessant: Ein schon älterer amerikanischer Herr wird von einer reichen verwitweten Dame, die er zu heiraten beabsichtigt, nach Paris geschickt, um ihren Sohn freundlichst daran zu erinnern, nach Hause zurückzukehren. Vom Gelingen dieser Mission, so schätzt der Herr ein, hängt der Erfolg seiner Werbung ab. Es ist sein erster Besuch in Europa, demzufolge ist er mehr oder weniger überwältigt und erstaunt, auch von dem Sohn, der ihm viel erfahrener und weltmännischer vorkommt seit seiner Abreise. Er lernt eine Dame kennen, mit der der Sohn möglicherweise eine Affäre hat und verliebt sich ebenfalls in sie – wie dem auch sei, er kann sich am Ende selbst kaum von der Stadt losreißen und empfiehlt dem jungen Mann, nicht zurückzukehren, um nicht wie er über vergeudete Lebenszeit trauern zu müssen.

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Quelle: http://www.hanser-literaturverlage.de

Eine Neuübersetzung, bei der das Cover mehr verspricht als der Inhalt halten kann

Diese knappe Zusammenfassung klingt nicht nur, als würde nicht wirklich viel geschehen, es ist auch so. Das Buch zieht sich wie Kaugummi, der Hauptcharakter macht viele Gewissensbisse durch, ist zögerlich, hin- und hergerissen, nicht das, was ich eine „interessante“ Figur nennen würde. Auch seine Entwicklung, so bedeutend sie für ihn sein mag, hinterlässt keinen wirklichen Eindruck beim Leser; James schaffte es nicht, ein irgendwie geartetes Gefühl bei mir auszulösen außer Ungeduld. Mir ist bewusst, dass der Autor eine große Figur in der Literaturwelt ist, weniger bei uns, aber im englischen Sprachraum, und dass er sicher viele Verehrer hat, aber das gleiche gilt für James Joyce… Nun ja, er hat mich jedenfalls hinreichend abgeschreckt, dass ich mir seine übrigen Werke, einschließlich „Bildnis einer Dame“ nicht mehr zu Gemüte führen werde. Gut, „The Turn of the Screw“ habe ich als Lesung gehört und es war eine annehmbare Schauergeschichte für die Maßstäbe des 19. Jahrhunderts. Ansonsten gibt es ja andere Autoren und Bücher, die mehr nach meinem Geschmack sind, da kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an.

Nachbemerkung: Ich fand im Internet ein paar Sätze zu James, die haargenau meinem Eindruck von ihm entsprechen, deshalb gehören sie hierhin:

“So here it is at last, the expected thing.” — Henry James. Well, we’ve finally got some actual last words, so that’s nice. But man, I can’t stand Henry James: he’s one of my least favorite writers, his sentences and the paragraphs just drag on and on and on and his characters are just rich people who are obsessed with the class system, which is the most boring thing to write about, and god, some of his sentences are so long, so long and droning, almost as long as this sentence is becoming, because that’s how much I can’t stand Henry James.

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Ein Kommentar zu “Henry James – Die Gesandten

  1. danke für die kurze zusammenfassung und beurteilung der „ambassadors“, auch wenn „portrait of a lady“ mir als eines der besten und aufregendsten bücher in erinnerung geblieben ist, das ich gelesen habe, weiß ich nicht, ob ich die lektüre hier fortsetzen werde. „turn of the screw“ empfand ich übrigens nicht als konventionelle schauergeschichte, die spannung liegt meiner meinung nach darin, daß der leser nicht weiß, ob sich alles in wirklichkeit zugetragen hat oder lediglich in der phantasie der protagonistin, was ein gefühl der unsicherheit auslöst. und dieses gefühl steigert sich immer mehr wie die drehung der schraube den gegenstand immer fester an das andere objekt preßt. ich empfand beidesmal eine art äußerst subtiler folter des lesers, die ich überaus genoss. vielleicht bin ich ja doch etwas masochistisch veranlagt (?) „midlemarch“ wollte ich immer mal lsen, danke für die empfehlung.

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