Bei Filmen ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für mich, ob sie mich zum Weinen bringen können. Werde ich zu Tränen gerührt, dann steigt er erheblich in meiner Gunst, vielleicht weil solche emotionalen Momente stärker im Gedächtnis bleiben. So zähle ich zu meinen größten Lieblingsfilmen „21 Gramm“, an dessen Ende ich wie ein Schlosshund heulte (ich hab mir die letzten Minuten seitdem nicht mehr angesehen, weil der Effekt beim zweiten Mal sicher verblasst und das möchte ich nicht). Genauso verhält es sich bei Büchern. Warum schwärme ich so von „Jettchen Gebert“? Weil ich, kaum aufgeschlagen, zum Taschentuch greifen musste (zumindest in bestimmten Szenen). Dermaßen intensiv habe ich das vorher nur hier erlebt, bei „Samtpfote und Mäusejäger“. Ein Kinder-/Jugendbuch, das ich bis heute nicht vergessen kann, weil es mich damals unheimlich bewegte. Diese ganz harmlos „Katzengeschichten“ betitelten Episoden haben es nämlich in sich, die Katzen sterben des öfteren am Ende, wie das eben so ist. Die Autorin schreibt über die Katzen in ihrem Leben, sodass alle Geschichten real sind.

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Das Bild stellt, wenn ich mich recht entsinne, Blondie dar, die im Korb aus dem Fenster hinausgelassen werde, um einem feindlichen Kater zu entgehen.
Es beginnt mit „Bärchen: Eine flüchtige Existenz“, den sie als Kind hatte; der kleine Kater mag immer nur am Fenster sitzen und will nicht raus, er findet einen frühen Tod. Der Bogen spannt sich weiter über „Wassinka: Der Herr der Straße“ über „Leo und Lena: Die Zeitungskatzen“ – das Geschwisterpaar wurde ausgesetzt und von der Redaktion, in der Radke arbeitet, adoptiert. Später wandert die Autorin nach Kanada aus und trifft dort auf „Enemy“, „Blondie: Das goldfarbene Glück“ sowie schließlich auf „Winni: Gefährtin für 17 Jahre“ (Winni wurde nach Winnipeg benannt, und kam später auch mit nach Deutschland). Ja, ich erinnere mich noch an die Überschriften einiger Geschichten und die Namen der tierischen Protagonisten, auch wenn es nun 12, 13 Jahre her ist, dass ich das Buch las. Dank der prächtigen Illustrationen und der anekdotenreichen Erzählungen werden die Katzen sehr lebendig, mit ihren Macken, Kämpfen und Schicksalen, die den menschlichen in Nichts nachstehen. Ich las das Buch zwei Mal hintereinander, auch etwas nie Dagewesenes, und beweinte jedes Mal die Katzen, die ich nicht kannte, aber die man einfach ins Herz schließen muss – ganz abgesehen davon, dass ich Katzen liebe, selbst wenn ich nie eine hatte. Wahrscheinlich war ich gerade in dieser sentimentalen vorpubertären Phase, wenn man langsam und mit Schrecken begreift, dass alles vergehen muss. Anna-Maria Radke konzentriert sich ganz auf die Katzen, über ihr eigenes Leben erfährt man nur beiläufig etwas, sei es ihre Arbeit als Journalistin und Autorin/Übersetzerin oder ihre Jahre in Kanada. Dabei ist immer ihre Mutter an ihrer Seite, einen Mann im Leben erwähnt sie nicht. Vielleicht der Komponist und Besitzer von „Blanco: Der musische Kater“? Wenn ich mich heute an das Buch erinnere, dann mit einer Wehmut über die vergangene, sichere Zeit, als es nichts Schöneres gab, als durch die Kinderbücherei zu streifen, um Schätze wie diesen zu finden, die man dann eingekuschelt im Bett goutierte. Obwohl sich im Grunde daran nicht viel geändert hat.
Nachbemerkung: Von der gleichen Autorin gibt es das Buch „Ins Herz geschlichen – Die Katzen meines Lebens“. Ob es sich dabei um den gleichen Inhalt handelt, weiß ich nicht, es lässt sich anhand des Titels aber vermuten. „Samtpfote und Mäusejäger“ stammt von 1988.