Ein Buch - mehrere Monate/Ein Monat - ein Buch

Februar 2013: Henryk Sienkiewicz – Die Kreuzritter

So, hier muss wieder ein bisschen gemogelt werden. Tatsächlich gehört das Buch auch in die Kategorie „Ein Buch – mehrere Monate“, aber ich habe im Februar damit begonnen und die anderen Optionen für diesen Monat sind so dünn, dass mir Sienkiewicz da Gott sei Dank aus der Klemme helfen kann. Es klappt eben nicht immer alles so wie geplant… Den Roman des polnischen Nobelpreisträgers hatte ich schon einige Jahre bei Oma rumliegen, mein Onkel Friedrich schenkte mir diese antiquarische Ausgabe aus der Zeit der Jahrhundertwende, die auch er irgendwann geschenkt bekommen hatte, als ich mit dem Polnisch-Studium begann. Das Buch ist allerdings nicht im Original, ich habe nur eine polnische Ausgabe von Sienkiewiczs bekanntestem Werk „Quo Vadis“, das ich aber bislang nicht angerührt habe (auf Deutsch kenne ich es bereits). Im Vorwort wird angemerkt, dass einige als zu ausschweifend empfundene Reisebeschreibungen gekürzt wurden – in der Tat scheint ein beträchtlicher Teil in der zweiten Hälfte nur grob zusammengefasst worden zu sein – und allzu harsche Bemerkungen der polnischen Protagonisten gegenüber den deutschen Kreuzrittern abgemildert. Tatsächlich sind die nationalistischen Tendenzen im Roman unübersehbar, die polnischen Ritter sind alle gut und edel, während der Deutsche Orden zu den niedersten Mitteln wie Frauenraub und Verstümmelung greift, um seine Ziele durchzusetzen.

Quelle: Gutenberg Spiegel

Danusia wirft Zbyszko zum Zeichen ihrer Verlobung einen Schleier über.

Im Zentrum des Geschehens steht der junge Ritter Zbyszko, der sich wagemutig und heißblütig in viele Abenteuer stürzt und es fast mit dem Leben bezahlt, als er verbotenerweise einen Kreuzritter und Gesandten zum Kampf auffordert (sein Schlachtruf ist lustig, er lautet „Hagel, Hagel!“). Seine Hinrichtung kann nur durch die schöne Jungfer Danusia verhindert werden, die ihn sich auf dem Weg zum Schafott formell als Verlobten erwählt – nach einem alten Brauch wird der Mann dadurch von der Exekution verschont. Danusia, noch ein halbes Kind, ist Zbyszkos erste Liebe und er möchte sie gern heiraten, benötigt dafür aber die Erlaubnis ihres Vaters, die er sich erst erkämpfen muss. Jurand von Spychow hat seine Tochter eigentlich der Kirche geweiht und führt einen blutigen Rachefeldzug gegen die Kreuzritter, die den Tod seiner geliebten Frau auf dem Gewissen haben. Einige deutsche Ritter planen nun, Danusia zu entführen, um Jurand in die Knie zu zwingen. In der Zwischenzeit hat Zbyszko ein anderes Mädchen kennengelernt, Jagienka, die reiten und jagen kann wie ein Mann. Sie verliebt sich in ihn, aber er fühlt sich Danusia verbunden und lässt sich schließlich heimlich mit ihr trauen. Kurz danach wird das Mädchen entführt und ihr Vater erhält die Nachricht, dass sie auf der Ortelsburg in den Händen des Ordens sei. Er macht sich gemäß den Forderungen und ohne Nachricht zu hinterlassen auf den Weg dorthin und demütigt sich dort in aller Form, nur um nach einigen Tagen zu hören, dass sich Danusia gar nicht in der Burg befände. Daraufhin richtet der rasende Jurand ein Blutbad unter den Rittern an. Er kann schließlich gefangen genommen werden und wird zwar nicht getötet, doch seiner Augen, Zunge und rechten Hand beraubt. Zbyszko sucht überall verzweifelt nach seiner jungen Gattin und argwöhnt, dass der Orden etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat. Durch einen glücklichen Umstand findet er Jurand und am Ende auch Danusia, die jedoch den Verstand verloren hat und bald stirbt. Abschluss und Höhepunkt des Romans bildet die Schlacht 1410 bei Tannenberg bzw. Grunwald, in der Polen und Litauer gegen den Deutschen Orden kämpfen und ihn am Ende besiegen.

Trotz seiner sehr unausgewogenen Sichtweise ist dies ein Ritter- und Abenteuerroman erster Güte, zumindest in der Fassung und Übersetzung, die ich las – die angesichts ihres Alters und der Entstehungszeit sicher keine sehr werktreue ist (siehe Anmerkungen oben). Besonders die Geschehnisse auf der Ortelsburg sind sehr spannend und es gibt gute einige sehr packende Szenen, zum Beispiel, als der Rädelsführer der Aktion gegen Jurand, Siegfried der Löwe von dem verkrüppelten Jurand begnadigt wird und anschließend, von Schuldgefühlen übermannt, im Wald Selbstmord begeht. Zbyszko ist ein Held, mit dem man sich identifizieren kann, wenn auch ein wenig eindimensional. Man erfährt viel über die polnische Geschichte jener Zeit, glücklicherweise gab es zur Erklärung auch viele Fußnoten und ich hatte ein Seminar zu Polens Historie, sonst wäre es sehr schwer geworden, alle Herrscher und Ereignisse zu verstehen oder auseinander zu halten. Das könnte viele Leser von heute, vor allem jüngere, von der Lektüre abhalten (ähnlich wie bei „Ivanhoe“). Und das ist schade, denn als ich mir das Buch nach längerer Zeit der Nichtbeachtung zu Gemüte führte, fesselte mich die Geschichte schon bald und sie wird mir auf jeden Fall länger im Gedächtnis bleiben als Ruiz Zafóns „Gefangener des Himmels“, über den ich nun nicht zu schreiben brauche – Sienkiewicz sei Dank!

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