Der erste Band der „Ayla“-Serie, deren übrige Folgen ich dann rasch hintereinander las, bis auf den sechsten und letzten – der vielleicht der allerletzte ist und erst im Frühjahr 2011 erschien, woraufhin ich seiner wiederum erst ein Jahr später habhaft wurde. Tja, worum geht es in der Serie? In einem Roman von Stephen King, „Bag of Bones“, wird darauf als „die mit dem Höhlenmenschen-Sex“ (oder so ähnlich) Bezug genommen. Ob dies einen wesentlichen Aspekt des Erfolgs ausmacht, ist mir nicht bekannt, aber die Bücher spielen vor ca. 30.000 Jahren, als die Menschen noch in Höhlen lebten, und die vereinzelt vorkommenen Sex-Szenen werden recht detailreich dargestellt (was zu häufigen Zensierungen führte), also hat Mr King mit seiner knappen Beschreibung nicht unrecht.
Im Mittelpunkt steht, Überraschung: Ayla, eine junge Frau, die im ersten Band noch ein Kind ist und bei einem Erdbeben in der Schwarzmeergegend ihre Familie verliert, weil deren Wohnhöhle einstürzt. Die Kleine irrt hilflos durch die Gegend, wird sogar von einem Höhlenlöwen angegriffen (wodurch sie ihr mächtiges „Totemzeichen“ erhält, die vernarbten Spuren einer Löwenkralle) und wird schließlich von einer Gruppe Neandertaler gefunden und adoptiert, sodass sie deren Lebensweise kennenlernt. Hier nun, wie generell in den Büchern, wagt sich Jean M. Auel auf wackeliges Terrain: Wie viel wissen wir vom Leben der Frühmenschen – Cro-Magnon oder „moderner Mensch“ ebenso wie Neandertaler -, das wir uns Mutmaßungen über ihre Vorstellungswelt, ihre Gebräuche, ja sogar Sprache erlauben können? Genau das tut die Autorin und es ist eine überaus spannende und interessante Angelegenheit, aber ob es nun wirklich so war oder nicht, wird wohl immer im Dunkeln bleiben. Ihrer Ansicht nach waren die Neandertaler durchaus intelligente Menschen, die aber einen entscheidenden Nachteil hatten: Sie konnten nur sehr langsam Neues erlernen und sich dadurch an Veränderungen anpassen. Alles Wissen, das sie hatten, sammelten sie über Jahrtausende an und die Kinder mussten daran nur „erinnert“ werden, sie erlernten es nicht, sondern hatten alle eine Art kollektives Gedächtnis. Ihre Sprache bestand aus nuancenreichen Gesten und vereinzelten Lauten, Namen zum Beispiel: Der Häuptling des Bärenclan heißt Brun, die Medizinfrau, die Ayla unter ihre Fittiche nimmt, Iza. Für die Neandertaler ist es merkwürdig, ein Kind zu sehen, das eben nicht ihre Erinnerung hat und ihnen deshalb unwillkürlich etwas dumm vorkommen muss. Umso mehr muss das Mädchen kämpfen, sich ihr Wissen anzueignen und sich vor allem in die strikte Hierarchie einzufügen. So beginnt sie etwa, heimlich mit einer Schleuder zu jagen, etwas absout Unerhörtes für die Neandertaler, die eine strenge Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen einhalten. Erst als Ayla ein Mitglied der Gruppe mit ihrer Schleuder vor einem Raubtier rettet, wird sie als Jägerin anerkannt. Gleichzeitig bilden Iza und ihr Bruder, der verkrüppelte Schamane oder „Mog-ur“ Creb, sie als Medizinfrau aus. Viele Prüfungen muss Ayla noch durchmachen, so wird sie ständig vom Häuptlingssohn Broud schikaniert und schließlich sogar vergewaltigt – obwohl sie nach allgemeiner Ansicht der Neandertaler als hässlich gilt, denn sie ist blond, groß und hat nicht ihren typischen „Flachschädel“ (so werden die Neandertaler von den Cro-Magnon verächtlich genannt, die sie oft als bloße Tiere abtun). Ayla wird schwanger und bringt den Jungen Durc zur Welt, der in den Augen der Gruppe verkrüppelt und damit nicht lebenstauglich ist; in Wirklichkeit ist er einfach ein Mischling beider Menschenarten, wie Ayla später noch einigen begegnen wird. Sie flieht mit ihm und kann schließlich durchsetzen, dass er am Leben bleibt, doch als wenig später Iza und Creb, ihre Zieheltern, sterben und Broud neuer Häuptling wird, dauert es nicht lange, bis Ayla entgültig aus der Gruppe verstoßen wird. So muss sie wieder ganz allein um ihr Überleben kämpfen…
Diese dicken Bände (jeder um die 900 Seiten stark) sind wirkliche Schmöker, mit denen man Stunden verbringen kann und sie entführen in eine unbekannte Welt und Kultur: die unserer ältesten Vorfahren. Im Laufe der Bände trifft Ayla ihren zukünftigen Gefährten Jondalar und reist mit ihm zu verschiedenen Stämmen der Frühmenschen, bis zu seiner Heimat in Südfrankreich, wo noch heute zahlreiche Höhlenmalereien und Funde vom Leben in dieser Zeit zeugen. Ayla wird dabei eine Mittlerin zwischen den Neandertalern und den Cro-Magnon, später auch eine mächtige Heilerin und Schamanin und nicht nur ihre Talente, auch ihre ungewöhnlichen Begleiter, zwei Pferde und ein Wolf, sorgen für Überraschung. Außerdem ist sie es, die als erste die Theorie entwickelt, dass Kinder durch Geschlechtsverkehr entstehen – alle anderen glauben, diesen gäbe es nur zu Ehren der „großen Erdmutter“ und neues Leben würde durch Vermischen von Geistern erschaffen.
Vielleicht gibt es doch noch irgendwann einen siebenten Band, denn es wäre interessant, wenn Ayla noch einmal den Clan des Bären und nicht zuletzt ihrem Sohn treffen würde, an den sie auch Jahre später noch sehnsuchtsvoll denkt. Wie gesagt, vieles bleibt trotz ausführlicher Recherche der Autorin Spekulation, doch wenn man sich einmal darauf einlässt und akzeptiert, dass es damals so gewesen sein könnte, ist es eine ganz nette und unterhaltsame Lektüre. Auf jeden Fall eine Abwechslung zu all den Romanen und Themen, die ich sonst für gewöhnlich lese, für gewöhnlich mache ich um solche Bestseller-Garanten eher einen großen Bogen. Aber man kann ja nicht immer nur hochgeistige Literatur haben, manchmal braucht man auch etwas zum „einfach so weglesen“.