Ein Monat - ein Buch/Lieblingsbücher

Februar 2002: Karla Schneider – Die abenteuerliche Geschichte der Filomena Findeisen

Dieses Buch aus der orangefarbenen Reihe des Beltz und Gelberg-Verlages habe ich seinerzeit geliebt und weiß heute leider nicht mehr jedes Detail, doch gedenke ich der Protagonistin voll zärtlichster Erinnerung wie einer alten Freundin. Allein der Name klingt schon toll: „Filomena Findeisen“, auch Filo genannt. Das Mädchen wächst bei ihrem Onkel und ihrer Tante auf und erlebt die Wirrnisse des Napoleonischen Befreiungskriegs 1813. Ein zusätzlicher interessanter Punkt für mich war, dass Filo in Dresden lebt, also quasi in meinem Heimatgebiet. Die Darstellung des „alten“ Dresden, das durch die Bombardierung 1945 endgültig zerstört wurde, ist sehr anschaulich und gelungen.

Quelle: buchfreund.de

Grob gesagt erzählt die Autorin von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Mädchen (die auch auf dem Buchtitel abgebildet sind): Filomena, die in ganz normalen, biederen, wenn auch etwas ärmlichen Verhältnissen aufwächst, und Pruna, die zu einer Schaustellerfamilie gehört und schon optisch durch ihre dunklere Haut und wilden schwarzen Locken auffällt. Sie kommt mit ihrer Familie – „Zigeuner“, wie man sie damals nannte – in die Stadt und Filo ist von Prunas Fähigkeiten als Kunstreiterin und von ihrem ungebundenen Leben total fasziniert. Es ist so ganz anders als ihr Alltag bei Onkel Leberecht, der in einer Armenschule unterrichtet, und der etwas strengen Tante Male. Mit 13 Jahren muss sich Filo bereits um den Haushalt und um das kleine Gustchen kümmern, ihre Bildung ist abgeschlossen und der Ernst des Lebens wartet. Gleichzeitig sind französische Truppen erst vor, später in der Stadt und die Bewohner haben mit Einquartierungen und Plünderungen zu kämpfen. In dieser Situation beschließt das Mädchen Hals über Kopf, sich Prunas Familie anzuschließen und von zu Hause wegzulaufen. Sie zieht mit ihr durch Sachsen, wird dabei immer wieder mit den schrecklichen Folgen des Krieges konfrontiert und trifft auf feindliche Soldaten, sodass sogar ihr Leben in Gefahr gerät. Am Ende kehrt sie aber wohlbehalten in die Stadt zurück, die nach der Schlacht von Dresden einem einzigen großen Lazarett gleicht. Dort findet Filo auch ihren Cousin Veit, der sich den Lützower Jägern angeschlossen hat und in den sich Pruna verliebt. Außerdem gibt es eine merkwürdige Episode, in der die Kinder dem Schriftsteller E. T. A. Hoffmann begegnen, der in dieser Zeit als Kapellmeister in Dresden angestellt war und dort „Die Elixiere des Teufels“ sowie „Der goldene Topf“ schrieb.

Es ist wirklich ein ungemein spannendes und gut geschriebenes Buch und ich war gerade in Filos Alter, sodass ich mich gut in sie hineinversetzen konnte. Außerdem war dies ein Kapitel der sächsischen Geschichte, von dem ich damals noch sehr wenig wusste, also auch sehr informativ. Dazu kommt ein gewisser altmodischer Touch, sei es in der Kleidung der Figuren oder in bestimmten Begriffen, die uns heute kaum noch bekannt sind – dafür gibt es glücklicherweise ein Register am Ende des Buches. Mich hat die Geschichte damals völlig in ihren Bann gezogen und ich würde behaupten, dass es eines der besten Jugendbücher war, das ich in dieser Zeit (zwischen 10 und 14) gelesen habe. Für seine Qualität spricht auch, dass es bereits 1992 erstmalig erschien und 2008 erneut aufgelegt wurde. Die Autorin ist eine gebürtige Dresdnerin und hat noch etliche andere Kinder- und Jugendbücher verfasst, eines davon habe ich noch gelesen: „Wenn man Märri Schimmel heißt“ erzählt von dem ganz normalen Teenagerwahnsinn von heute mit erster Liebe und anderen Katastrophen – kann ich ebenso wärmstens empfehlen. Aber Filo wird wohl immer in meinem Herzen bleiben und ich werde es eines Tages bestimmt für meine Nachkommenschaft aufstöbern, damit sie mal sehen, was Mama in ihrer Jugend so gelesen hat.

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