Dieser Roman hat mich wirklich überrascht in seiner Lesbarkeit, er ist kein bisschen schwierig oder vollgestopft mit philophischen/geschichtlichen Erörterungen, wie man sie manches Mal in russischen Klassikern findet, allerdings ist „Der Meister und Margarita“ auch etwas neuzeitlicher, aus den 1930er Jahren. Ich wusste nicht, worum es in der Geschichte geht, ließ mich einfach darauf ein und wurde nicht enttäuscht. Die Passagen mit dem Riesenkater und dem Teufel als Zauberer sind sogar richtig witzig.

Quelle: booklooker.de
Die Handlung ist vielschichtig. Am Anfang kommt der Teufel in Menschengestalt (unter dem Namen Volant) und in Begleitung mehrerer seltsamer Gestalten wie einem Kammerdiener und besagtem schwarzen Kater nach Moskau und sorgt für Unruhe: in seinem Haus und während der Zaubervorstellungen verschwinden auf mysteriöse Weise Personen, die sich dann ganz woanders wiederfinden. Immerhin spielt der Roman in einer Zeit, in der die Menschen nicht mehr an Magie und den Teufel glauben; obendrein auch noch in einem kommunistischen Land, wo alles streng nach Plan laufen muss. Die Behörden haben ihre liebe Not, das Vorgefallene zu übertünchen und logische Erklärungen dafür abzugeben. In einem weiteren Erzählstrang berichtet ein geisteskranker Schriftsteller, „Meister“ genannt, von seinem Werk, einem Roman über Pontius Pilatus. Diesen Roman liest man dann gegen Ende von Bulgakows Buch, und diesen Teil fand ich am interessantesten, weil er ein völlig neues Licht auf die letzten Tage und den Tod Jesu werfen, ohne jede göttliche Verklärung. Jesus heißt hier Jeschua han-Nasri und einer seiner wenigen Anhänger, Levi Matthäus, verfälscht nach dem Tod am Kreuz seine Geschichte, weil er anderenfalls keinen Sinn im Ende seines Herrn sieht – und seine Worte missversteht.
Die Geliebte des Schriftstellers ist die schöne Margarita, eine verheiratete Frau, die eines Nachts mithilfe des Teufels zur Hexe wird und durch die Luft zu einem modernen Hexensabbat fliegt, wo sie die Rolle der Ballkönigin einnimmt. Als Belohnung erfüllt ihr der Teufel den Wunsch, wieder mit dem armen Schriftsteller in einer kleinen Kellerwohnung zu leben. Durch den Tod des Paares in der Osternacht und ihrer anschließenden „Reise“ nach Jerusalem schließt sich der Kreis zur Handlung des Jesus-Romans und man bekommt eine Ahnung, dass dieser Jeschuah doch göttlicher ist als der Meister ihn in seinem Buch beschreibt.
Man kann den Roman als Parodie auf den kommunistischen Staat und seinen Atheismus lesen, oder sich einfach an der absurden, aber tiefgründigen Geschichte erfreuen. (Der Vergleich zu „Faust“ drängt sich auf, mit dem Hexensabbat, dem Teufel und Margarita = Gretchen.) Es lohnt sich auf jeden Fall und wirft einen interessanten, wenn auch komisch verzerrten Blick auf das Leben in der Sowjetunion in den 1920er und 1930er Jahren und ohne ideologisches Geschwätz, wie es in anderer Literatur aus dieser Zeit allzu oft zu finden ist. Und die Jesus-Erzählung gehört zum besten, was ich bezüglich „Historischer Jesus – Wahrheit und Erfindung“ gelesen habe.