Ein Monat - ein Buch

Mai 2007: Frank McCourt – Tag und Nacht und auch im Sommer

Dieses Buch ist der dritte Band der Erinnerungen des irisch-amerikanischen Autors Frank McCourt, der erst mit über 60 Jahren zu schreiben begann, um seine Memoiren festzuhalten – ein Glück, dass er sich dazu entschloss, denn wie alle Iren ist er ein großartiger Geschichtenerzähler. Sein erstes und bekanntestes Buch, für das er den Pulitzer-Preis erhielt, ist „Die Asche meiner Mutter“ über seine schwierige Kindheit im irischen Limerick in den 1930er und 1940er Jahren (ein „schlimmes“ Buch, wie ich es mal beschrieb, aber nicht im negativen Sinne, nur auf den Inhalt bezogen):

“When I look back on my childhood, I wonder how I survived at all. It was, of course, a miserable childhood: The happy childhood is hardly worth your while. Worse than the ordinary miserable childhood is the miserable Irish childhood, and worse yet is the miserable Irish Catholic childhood.

People everywhere brag and whimper about the woes of their early years, but nothing can compare with the Irish version: the poverty; the shiftless loquacious alcoholic father; the pious defeated mother moaning by the fire; pompous priests; bullying schoolmasters; the English and all the terrible things they did to us for 800 long years.”

Es folgte „Ein rundherum tolles Land“, in dem er von seiner Emigration nach New York erzählt, seiner Armeezeit in Bayern und wie er sich entschied, Lehrer zu werden. Im dritten und letzten Band, „Tag und Nacht und auch im Sommer“ (hübscher Titel, aber man weiß nicht, was sich dahinter verbirgt – da ist der Originaltitel „Teacher Man“ doch sehr viel prägnanter und aussagekräftiger) erinnert sich McCourt an seine Laufbahn als Lehrer für kreatives Schreiben, Englisch und Englisch als Fremdsprache. Erst in den 1990er Jahren begann McCourt mit dem literarischen Schreiben und angesichts dessen ist sein Erfolg wirklich erstaunlich.

Quelle: alcorde-verlag.de

Wie die zwei vorherigen Bücher besteht auch dieses aus vielen kleineren und größeren Anekdoten und Erinnerungen, die alle zusammen die Lebensgeschichte des Autors ergeben. So berichtet McCourt von seinem allerersten Unterrichtstag, an dem er sich erdreistete, ein Sandwich zu essen, das durchs Klassenzimmer flog und auf seinem Pult landete. Dies brachte ihm zwar den Respekt der Schüler, nicht aber das Wohlgefallen der Schulleitung ein. Schon damals bereicherte er das Unterrichtsgeschehen mit Geschichten aus seiner Jugend, wie sie später in „Die Asche meiner Mutter“ festgehalten wurden. Einen kleinen Skandal löste McCourt aus, als er eine Klasse „The Catcher In The Rye“ lesen ließ, das damals aufgrund seiner Kraftausdrücke und sexuellen Anspielungen als ungeeignet für Jugendliche galt. Der deutsche Titel bezieht sich, wenn ich mich recht entsinne, auf McCourts Engagement, besonders „Problemschüler“ zu motivieren und immer für sie da zu sein – „Tag und Nacht und auch im Sommer“, also während der Ferien.

„Ich war mehr als ein Lehrer. Und weniger. Im High-School-Klassenzimmer ist man Feldwebel, Rabbi, Schulter zum Ausweinen, Zuchtmeister, Sänger, Stubengelehrter, Büroangestellter, Schiedsrichter, Clown, Berater, Beauftragter für die Kleiderordnung, Schaffner, Fürsprecher, Philosoph, Kollaborateur, Stepptänzer, Politiker, Therapeut, Narr, Verkehrspolizist, Priester, Mutter-Vater-Bruder-Schwester-Onkel-Tante, Kritiker, Psychologe, Rettungsanker.“

Ganz nebenbei vermittelt er seine Unterrichtsmethoden, wie er etwa grammatische Strukturen lehrt und die Schüler animiert, aus ihren erfundenen Entschuldigungen bei Abwesenheit kleine Geschichten zu basteln, da sie ihre Kreativität ja bereits bewiesen haben. Insgesamt präsentiert sich der Autor nicht als perfekter, aber stets um ein gutes Verhältnis zu seinen Schülern bemühter Lehrer; er möchte wirklich etwas bewegen und die Jugendlichen dazu ermutigen, ihren Weg zu gehen: Schließlich hat er es mit viel Geduld und Fleiß ebenfalls geschafft. Stets macht sich sein Respekt für die Schüler bemerkbar sowie seine Fähigkeit, mit subtilem, manchmal geradezu absurdem Humor auch durch schlechte Zeiten zu kommen.

Als ich 2009 las, dass Frank McCourt einem Krebsleiden erlag, war ich traurig, weil er den Leser mit seinen Erinnerungen an seinem Leben teilhaben lässt und man so das Gefühl bekommt, ihn persönlich gekannt zu haben. Das Gefühl, einen guten, ehrlichen und humorvollen Menschen gekannt zu haben.

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