Ich habe über die Jahre ein paar Sammelbände mit H. P. Lovecraft-Geschichten gelesen, drei, genau gesagt, sodass ich mittlerweile – leider – das meiste von ihm kenne. Ich sage „leider“, weil seine düstere Welt voll unnennbaren Schreckens und grässlicher Wesen von anderen Sternen, uralt und verborgen noch immer in der tiefsten Erde hausend, eine starke Sogwirkung auf mich ausübt. Es ist Horror vom Feinsten und Lovecraft hat mit seinem Werk vermutliche alle nachfolgenden Autoren dieses Genres inspiriert, er ist eine Koryphäe wie vor ihm nur Edgar Allan Poe. Diesen Platz konnte er auch beanspruchen, weil er gründliche Quellenarbeit geleistet hat, sein Essay über „Supernatural Horror in Literature“ zeigt, wie gut er sich in seinem Fach auskannte. Aufgrund seines relativ kurzen Lebens (er starb 1937 mit 47 Jahren an Krebs) hat er kein riesiges Oeuvre, doch gelang ihm das Kunststück, immer wieder um die gleichen Themen zu kreisen, die gleichen Versatzstücke einzubringen – beispielsweise den Cthulhu-Mythos, das verbotene Buch „Necronomicon“ des „Mad Arab“ Abdul Alhazred, die Miskatonic-Universität in der fiktiven Stadt Arkham oder „Yog-Sothoth“, bei dem nie ganz klar ist, worum es sich eigentlich handelt – und dennoch nie zu langweilen. Man mag denken: „Ach, jetzt geht das wieder los“ und gruselt sich trotzdem, weil eben diese Unbestimmtheit, dieser langsame Aufbau von Spannung und das Nahen eines unbekannten, aber Unheil verkündenden Etwas einen immer wieder packt. Zumindest geht es mir so, und ich liebe dieses Gefühl.
Mein erstes Buch mit Lovecraft-Geschichten war „The Whisperer in Darkness“, das ich vermutlich 2008 oder 2009 in der Hochschulbibliothek fand. Zu diesem Zeitpunkt war mir der Name des Autors völlig unbekannt und es war eine reine Zufallsausleihe, geleitet von dem interessanten Buchtitel. Darin fanden sich einige seiner besten Kurzgeschichten wie die titelgebende „The Whisperer in Darkness“, „At The Mountains of Madness“, „The Call of Cthulhu“ sowie der einzige, wenn auch kurze Roman Lovecrafts, „The Case of Charles Dexter Ward“. Man wird mit dem Necronomicon bekannt und bekommt eine Ahnung des schrecklichen Cthulhu-Kultes – und Yog-Sothoth hat auch schon einen Auftritt. Alle, die damit zu tun haben, werden über kurz oder lang wahnsinnig, weil das verbotene Wissen zu viel für den normalen Verstand ist, und die Wesen, die sie hervorrufen oder denen sie auf die Spur kommen, zu grauenerregend sind, um den Anblick zu ertragen – so lautet die Quintessenz dieser Geschichten. Die etwas archaisch anmutende Sprache trägt ein weiteres zu dem Gefühl bei, es hier mit etwas Uraltem und Geheimnisvollem zu tun haben.

Quelle: heartofhorror.com
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, auf welche Geschichte die Illustration anspielt, aber sie sieht nett aus.
Nach diesem ersten Sammelband war ich „angefixt“ und es folgten, in einigem Abstand, noch zwei weitere, zunächst „Horror Stories“ im Sommer 2009, ausgewählt und mit einem Vorwort versehen von Wolfgang Hohlbein, wo sich einige Geschichten aus „Whisperer In Darkness“ wiederholten (die aber dieses Mal übersetzt waren) und es natürlich auch Neues zu entdecken gab: „Die Farbe aus dem All“, „Die Ratten im Gemäuer“ – sehr üble Story – und „Schatten über Innsmouth“. Zu den Geschichten muss noch gesagt werden, dass sie zuerst meistens in einschlägigen Magazinen (z. B. „Weird Tales“) oder Zeitschriften erschienen und zu Lebzeiten des Autors keinen großen Erfolg hatten, wodurch seine finanzielle Situation angespannt war, was wiederum sicher mit zu Lovecrafts schlechtem Gesundheitszustand und seinem frühen Tod führte. Zudem litt er an einer Reihe von Ängsten (vor Frauen, Ausländern und Menschen im Allgemeinen) und Paranoia und lebte, abgesehen von einer schwierigen Periode in New York mit einer unglücklichen Ehe, immer bei Verwandten in Providence, Rhode Island. Dort fühlte er sich sicher genug und fand gleichzeitig genügend Inspiration für sein Werk. Sehr erhellende Informationen dazu finden sich in einem Essay von Michel Houellebecq, „H. P. Lovecraft: Against the World, Against Life“, den ich in der Bibliothek der Lancaster-Uni fand (und der mit Sicherheit das einzige bleiben wird, was ich von dem Franzosen je lese).
Meinen vorerst letzten Lovecraft-Band las ich im August 2011, er trug den Titel „Das schleichende Chaos“. Dort fand ich neben vielen frühen Geschichten, die noch eher klassischen Schauergeschichten zuzuordnen sind (oft spielen sie in einer unbestimmten, antiken Zeit) auch die Erzählungen „Träume im Hexenhaus“ und „Der Schatten aus der Zeit“, die mir von allen Storys bisher am besten gefallen haben – erstere ist sehr, sehr unheimlich und letztere hat lange Traumsequenzen, in denen der Protagonist durch Gänge wandelt, die an Moers „Labyrinth der Träumenden Bücher“ erinnern. Gleichzeitig kommen alle bekannten und beliebten Götter, Kulte und „älteren Götter“ aus Lovecrafts mythologischem Sammelsurium vor, sie sind quasi wie ein Best-of aller Geschichten, zur Perfektion getrieben.
Beim Schreiben dieses Posts spüre ich schon, wie es mich wieder in den Fingern juckt, also wird vermutlich bald ein weiteres Buch mit Storys des Meisters auf der Leseliste stehen. Falls ich noch eines finde, in dem ich nicht bereits alle kenne… Es ist eine Welt, aus der man, einmal betreten, nur sehr widerstrebend wieder herauskommen mag, und darum gehört Lovecraft auf jeden Fall auf die kleine, aber feine Liste meiner Lieblingsautoren.
NB: Noch ein Wikipedia-Zitat zum mysteriösen Yog-Sothoth:
Er ist auch bekannt als „Der Schlüssel zum Tor, wo die Sphären sich treffen“ und wird auch beschrieben als Schlüssel und zugleich Wächter der Wege und Tore, als ein Wesen, das zugleich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich vereint. Yog-Sothoth scheint in Dimensionen und Sphären zu existieren, die die menschliche Vorstellungskraft übersteigen, wobei es auch Theorien gibt, die besagen, dass er selbst ein Gefangener ist wo alle Zeit und jeder Raum zusammentreffen. Er soll der Vater von Cthulhu und Hastur sein und mit Shub-Niggurath Nug und Yeb gezeugt haben.
Nichts Genaues weiß man nicht, allerdings hat der Bursche sein eigenes Wiki: http://www.yog-sothoth.com