Ein weiteres Buch aus der orangefarbenen Reihe des Beltz & Gelberg-Verlags, das mir im Gedächtnis geblieben ist. Zu dieser Zeit war die Umstellung von DM auf Euro erst ein dreiviertel Jahr her, und obwohl ich persönlich nie einen 500 DM-Schein in der Hand gehalten hatte (nur Spielgeld), wusste ich doch, dass darauf Maria Sybilla Merian abgebildet war. Das war aber auch so ziemlich das einzige, was ich mit ihr verband – bis ich dieses Buch las, in dem ihre Kindheit beschrieben wird und wie sie dazu kam, sich mit Insekten und deren Entwicklungsstadien zu beschäftigen.
Maria kam aus einer bedeutenden Familie: Ihr Vater Matthäus Merian war ein namhafter Kupferstecher und führte in Frankfurt ein Verlagshaus. Maria war das Nesthäkchen und ihr Vater starb, als sie noch ein Kleinkind war, sodass sie ihre künstlerische Ausbildung vor allem durch ihre Brüder und ihren Stiefvater Jacob Marrel, einen Blumenmaler, erhielt. Später wurde sie von dessen Schüler Abraham Mignon unterrichtet. Doch zunächst musste sie noch heimlich in einer Dachkammer zeichnen, weil es sich für ein Mädchen nicht schickte und die Mutter in dieser Zeit nach dem 30-jährigen Krieg, mit einem Haus voller Stiefkinder und zum zweiten Mal verheiratet, kein Interesse daran hatte, sie zu fördern. Maria war sehr talentiert, sowohl als Kupferstecherin, als auch als Malerin, und begann sich früh für Insekten, insbesondere Schmetterlinge, zu interessieren, mit denen sie ihre Blumengemälde lebendiger gestaltete. Damals, im 17. Jahrhundert, war wenig über Insekten und ihre Entwicklungsstadien bekannt, manche glaubten sogar, sie würden aus Schlamm entstehen. Allgemein galten sie als zu niedrig und abstoßend für die wissenschaftliche Untersuchung (Diesen gewissen Ekel vor allem krabbelnden und summenden Getier teile ich übrigens). Selbst der Zusammenhang zwischen Raupen und den „Sommervöglein“, wie Schmetterlinge damals auch genannt wurden, war nicht jedem klar. Maria begann schon als Kind, Raupen zu züchten und zu sammeln, auch wenn dies keine große Begeisterung in ihrem Haushalt auslöste. Insbesondere ihrer Mutter waren die Insekten ein Graus. Das Buch erzählt diesen mühsamen Kampf des Mädchens um Selbstbestimmung – nicht den vorgezeichneten Weg einer Bürgerstochter zu gehen, sondern sich ihren Traum von einem Leben als Künstlerin und Wissenschaftlerin zu erfüllen.
Ich habe mich von Jugend an mit der Erforschung der Insekten beschäftigt. Zunächst begann ich mit Seidenraupen in meiner Geburtsstadt Frankfurt am Main. Danach stellte ich fest, dass sich aus anderen Raupenarten viel schönere Tag- und Eulenfalter entwickelten als aus Seidenraupen. Das veranlasste mich, alle Raupenarten zu sammeln, die ich finden konnte, um ihre Verwandlung zu beobachten. Ich entzog mich deshalb aller menschlichen Gesellschaft und beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen.
Dabei hatte ihre Beschäftigung mit Schmetterlingen auch stets eine religiöse Komponente, sie sah die „wundersame Verwandlung“ als Zeichen göttlichen Schaffens, auch im Kleinsten und Unbedeutendsten. Der Titel „Ein Schmetterling aus Surinam“ spielt auf ihre spätere Reise in das südamerikanische Land an, woraufhin sie später ein Buch mit Kupferstichen und Texten zu der Insektenwelt Surinams veröffentlichte. Wer mehr über die Kindheit und Jugend dieser interessanten und ungewöhnlichen Frau erfahren möchte – oder überhaupt über das Leben in der damaligen Zeit Mitte des 17. Jahrhunderts – ist mit diesem Buch bestens beraten. Es ist zwar ein Kinder- und Jugendbuch, doch so gut geschrieben, dass man es in jedem Alter gerne liest.