Dieser Band versammelt die bekanntesten Kinderromane von Peter Härtling, die da wären: „Das war der Hirbel“, „Oma“, „Ben liebt Anna“ und „Theo haut ab“. Alle sind mehr oder weniger zu Klassikern geworden, und zumindest „Oma“ lasen wir in der Schule, ich kann mich aber nicht mehr genau erinnern, ob vor oder nach Ausleihe dieses Buchs – ich tippe auf davor, da der Roman für ein Lesepublikum im Alter von etwa 10 Jahren gedacht ist. Wie alle guten Autoren dieses Genres macht Härtling nicht den Fehler, seine Leser zu unterschätzen, sondern konfrontiert sie auch mit schwierigen Themen oder verarbeitet das tägliche Erleben von Kindern. Gerade heutzutage, wo Fantasy einen immer größeren Platz einnimmt, werden solche „naturalistischen“ Jugendromane in meinen Augen immer wichtiger.
„Das war der Hirbel“ handelt von einem geistig behinderten Jungen, dessen Mutter ihn ins Heim gegeben hat und der seitdem von einer Einrichtung und Pflegefamilie zur nächsten geschoben wird. Immer wieder läuft er weg, weil ihn keiner versteht, nicht seine verrückten Einfälle, aber auch nicht seine Schmerzen und Wutausbrüche. Er ist eben anders als die anderen, dafür kann er wunderbar singen.

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Ein Bild des von mir gelesenen Sammelbands konnte ich nicht finden, darum stellvertretend dafür „Oma“.
In „Oma“ wächst Kalle bei seiner Großmutter auf, nachdem er seine Eltern mit fünf Jahren verloren hat. Für beide ist es anfangs schwierig, immerhin ist Oma schon ganz schön alt und versteht vieles von der modernen Zeit nicht mehr so („Tinnef“, so schimpft sie das Fernsehprogamm), dafür hat sie den Krieg mitgemacht und erzählt oft von dieser schlimmen Zeit. Doch meistens sind sie ein Herz und eine Seele, unternehmen viel gemeinsam und Oma stellt sich auch mal schützend vor Kalle, wenn er von größeren Jungs angegriffen wird. Allerdings sorgt sie sich, was werden soll, wenn sie einmal krank wird und sich nicht mehr um Kalle kümmern kann – und so kommt es dann auch …
Bei „Ben liebt Anna“ kann man den Inhalt schon am Titel erraten. Für Ben ist das erste Verliebtsein wie für jeden eine aufregende Sache. Anna ist mit ihren Eltern aus Polen gekommen (aus Katowice) und wird von den Mitschülern ausgegrenzt, weil sie kaum Deutsch spricht und altmodische Sachen trägt. Doch Ben ist von ihr fasziniert und sie kommen sich näher, auch wenn alles noch sehr unschuldig ist, sie sind ja erst 10. Es gibt kein richtiges Happy End, weil Annas Familie in eine andere Stadt zieht, aber der Autor verdeutlicht sehr gut, dass auch Kinder schon zu tiefen Gefühlen in der Lage sind und das man sie ernst nehmen muss.
Auch „Theo haut ab“ hat einen aussagekräftigen Titel. Aber warum mag Theo nicht mehr zu Hause bleiben? Seine Eltern streiten sich ständig und der zehnjährige Junge, den in der Schule alle Bims nennen, hält es einfach nicht mehr aus. Darum nimmt er sein bisschen erspartes Geld und steigt in einen Zug, der ihn nach Rüsselsheim bringt. Dort ist gerade ein Jahrmarkt und einer der Schausteller, Papa Schnuff genannt, nimmt sich des Jungen an. Später wird Theo von der Polizei zurück nach Hause gebracht, wo sich die Situation nicht wirklich gebessert hat – jetzt muss er mit der Scheidung der Eltern klarkommen …

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Lange Zeit hatte ich geglaubt, dass Peter Härtling „nur“ Kinderbücher schreiben würde – weit gefehlt, wie ich merkte, als ich bei meinem Vater einen biografischen Roman über Friedrich Hölderlin von ihm fand, den ich absolut empfehlen kann. Wie Hölderlin – und Harald Schmidt – wuchs auch Härtling (1933 bei Chemnitz geboren) nach mehreren Stationen nach dem Krieg im schwäbischen Nürtingen auf und ist mittlerweile Ehrenbürger der Stadt. Außerdem wurden ihm zahlreiche Auszeichnungen verliehen, darunter der Deutsche Jugendliteraturpreis für sein Gesamtwerk, das Große Bundesverdienstkreuz und der Eichendorff-Literaturpreis. Er war lange Jahre als Journalist tätig, hat Gedichte und Essays veröffentlicht und mir mit „Ich bin so guter Dinge – Goethe für Kinder“ den Dichterfürsten nähergebracht: Aus diesem Buch lernte ich das „Heideröslein“ und den „Osterspaziergang“, die ich bis heute auswendig kann. Vielseitig und immer von höchster Qualität ist sein Werk. In einem Interview sagte Härtling, dass gegen gelegentlich bei ihm aufkommende Depressionen nur das Arbeiten hilft – wir können also noch auf weitere Bücher von ihm hoffen, selbst wenn er im letzten Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert hat.