Dieses Buch hat mich stark und nachhaltig beeindruckt, es war mein erster Schritt in das große, unheimliche, ständig wachsende Stephen King-Universum. Ich hatte vom Inhalt gehört – selbst wenn ich keine Ahnung hatte, wie so ein „Buick“ aussehen mochte oder auch nur, wie man den Namen ausspricht –, wollte es gern lesen und fand es zufällig in der Bibliothek. Dann zog mich dieser Schmöker so in seinen Bann, wie ich es vorher nicht erlebt hatte: Dieser einzigartige Thrill, den Horrorgeschichten bieten, kannte ich bislang nicht, und ich liebte das Gefühl, mich zu gruseln, während ich gleichzeitig die Sicherheit meines Betts unter mir wusste. Daran hat sich seitdem wenig geändert und ich bin ein treuer Leser von King geworden, weil man sich so herrlich in seine Bücher versenken kann, die auftretenden Charaktere im besten Fall zahlreich und vielschichtig sind, weil die Angst unterschwellig immer da ist, man ihr aber nicht direkt ausgesetzt ist (deshalb sehe ich keine Horrorfilme, da ist alles schon wieder viel zu real und bildhaft). Immer gut find ich es, wenn ein Alien vorkommt: so geschehen in „It“, „Tommyknockers“ und „Die Arena“, die alle zu meinen liebsten Werken des Autors zählen („Duddits – Dreamcatcher“ hat auch welche, aber die Geschichte packte mich nicht so richtig). Ich habe gerade noch mal durchgezählt und bin auf 21 gelesene Werke von Stephen King in meiner Leseliste gekommen – das dürfte ihn zum unangefochtenen Spitzenreiter machen, noch vor Astrid Lindgren (interessantes Paar übrigens, beschreibt perfekt meine eklektische Art).
Wie er in einem Nachwort schildert, kam ihm die Idee zu „Der Buick“, als er kurz mit seinem Auto bei einer Tankstelle anhielt, ausstieg und fast einen Abhang herab in einen Fluss fiel. Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte, überlegte er, was passiert wäre, wenn er wirklich abgerutscht wäre. Sein Auto hätte verlassen an der Straße gestanden – wo hätte man den Verbleib des Besitzers vermutet? Hätte man ihn dort unten gesucht? Und so beginnt der Roman mit einem Auto, dem titelgebenden Buick, dessen Besitzer sich offenbar aus dem Staub gemacht hat. Er wurde nur kurz gesehen, wer Kings „Atlantis“ kennt, findet Parallelen zu den dort auftauchenden „niederen Männern in gelben Mänteln“. Die Polizei einer kleinen Stadt in Pennsylvania (nein, mal nicht Maine!) lässt den Wagen jedenfalls abschleppen und stellt ihn in einer Garage auf dem Polizeigelände ab. Über die Jahre entwickelt er ein merkwürdiges Verhalten: in dem Schuppen gibt es manchmal eine Art Blitzlichtgewitter, die von dem Buick auszugehen scheinen. Außerdem kommt er garantiert nicht vom Fließband, denn seine Teile wie Steuer oder Auspuff sind reine Attrappen, dafür reparieren sich Kratzer von selbst und kein Staub oder Schmutz bleibt auf ihm haften – kurz, das Ding gibt vor, ein Auto zu sein, hat aber einen ganz anderen Zweck: offenbar ist er ein Tor zu einer anderen Welt … Das dazu noch in beide Richtungen funktioniert: Der Buick spuckt nicht nur Dinge aus, Lebewesen, wie sie auf unserer Erde nicht vorkommen (zunächst ein fledermausähnliches Tier, das umgehend seziert wird, später einen „Fisch“, Laub und als schauriger Höhepunkt ein kreischendes Alien; keines der Wesen kann lange in der fremden Atmosphäre überleben); Menschen scheinen auch magisch von ihm angezogen zu werden, lassen sich verleiten, in den Kofferraum zu kriechen – und dann sind sie weg. So geschieht es mit einem Cop und einem festgenommenen Junkie, was aber, wie alle mit dem Auto verbundenen Vorkommnisse, möglichst nicht publik werden darf. Die ganze Geschichte, hauptsächlich erzählt vom Chef der Truppe Sandy Dearborn, hört deshalb zum ersten Mal der junge Ned Wilcox. Er ist der Sohn von einem der Polizisten, sein Vater kam unter tragischen Umständen auf dem Highway zu Tode. Ned kann den Verlust nicht verarbeiten und glaubt schließlich, der Buick hätte etwas damit zu tun. Er fasst einen gefährlichen Plan und wird am Ende fast selbst verschluckt.
Wenn ich an das Buch denke, erinnere ich mich an den gelbblauen Einband; an Stunden nach der Schule, in denen ich in einem Rutsch 100 Seiten las; an die aufregende Szene, als der völlig fremdartige Außerirdische im Schuppen steht. Ich denke, wenn es wirklich Leben auf anderen Planeten gibt, ähnelt es nichts, was wir uns vorstellen können und aus diesem Grund wird das Alien im Roman von der Polizeitruppe umgebracht: weil sie seine Fremdartigkeit nicht ertragen können (und ebenso wenig sein Gekreische). Das ist psychologisch recht aufschlussreich, denn der unfreiwillige Besucher verhält sich laut meiner Erinnerung nicht bösartig, ist sicher überrascht und schockiert, plötzlich in einer anderen Welt gelandet zu sein und wird dann so feindlich behandelt, nur weil die Menschen nicht mit ihm klarkommen. Ist das eine instinktive Handlung, würde sich jeder so verhalten? Das Ende des Buchs fand ich damals genial, wie Sandy und Ned gemeinsam einen Blick auf die andere Seite des Tors werfen, nur einen Augenblick lang diese fremde Welt wahrnehmen, bevor sie – gerade noch rechtzeitig – zurückgezogen werden. Mancher Leser hätte sich vielleicht gewünscht, dass das Rätsel um die verschwundenen Personen nicht gelüftet wird, das der Buick ein solches Geheimnis bleibt, als das er von Troop D gehütet wird, aber mich störte das nicht. Und es gibt, anders als in „Atlantis“ oder „Insomnia“, keine Hinweise auf den „Dunklen Turm“-Zyklus, sodass man ohne jede Vorkenntnisse viel Freude an der Geschichte haben kann. Mit diesem Buch hatte mich King gepackt, ihm habe ich seitdem viele atemlose Lesestunden zu verdanken und wenn noch etliche dazukommen, habe ich nichts dagegen.