Die Lieder von Manfred Krug gehören zu den musikalischen Schätzen, die leider meist nur den im Osten Deutschlands geboren Menschen bekannt sind. Ich denke immer, dass ich wirklich Glück gehabt habe, dieses „Erbe“ der DDR-Musik mitbekommen zu haben, selbst wenn ich erst kurz vor dem Mauerfall geboren bin. Zwar gehört Krugs Herz vor allem dem Soul und Jazz, doch er kann auch anders – man höre sich nur das wunderbar poetische, durch Cembalo-Klänge und Günther Fischers Saxophon veredelte „Wenn du schläfst, mein Kind“ an. Andere kennen Manfred Krug hauptsächlich als Schauspieler, seine Rollen als Anwalt in „Liebling Kreuzberg“ oder als Paul Stöver im Hamburger „Tatort“ wurden legendär, während er mit „Spur der Steine“ einen der bedeutendsten DEFA-Filme drehte. Und dann war da natürlich seine Ausreise in die BRD in Folge seines Protests zur Biermann-Ausbürgerung, worüber Krug ausführlich in seinem ersten Buch „Abgehauen“ schrieb.

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In „Mein schönes Leben“ erzählt Manfred Krug von der Zeit vor seinem Erfolg als Sänger und Schauspieler. Ohne Sentimentalität erinnert er sich an seine Kriegskindheit, die der 1937 geborene Duisburger vor allem im brandenburgischen Hennigsdorf erlebte, bevor er kurz vor Kriegsende zur Großmutter in den Ruhrpott geschickt wurde, wo er einen schweren Bombenangriff miterlebte. Die Reisen per Zug durch das zerstörte Land unternahm er allein, so wie er allgemein schon früh die Rolle als „Mann“ der Familie übernahm, weil sein Vater an der Front war. Auch später war dieser oft abwesend, weil auf Arbeitssuche, und die Kinder lebten hauptsächlich bei der strengen, religiösen, aber sehr lebenstüchtigen und von Manfred innig geliebten Oma Lisa. Sie schreibt ihm ins Stammbuch: „Denke an die Zeit der Liebe an die Jahre mit Uns zwein. Denke stetz an Deine Oma die Dich so liebt und die jetzt ganz allein. Eines Tages in der weiten Welt ohne Brot und ohne Geld wirst Du einsam dastehn, und ich sag Dir, es wird weitergehn.“ Im Gegensatz dazu zieht sich Krugs nicht ganz einfache Beziehung zum Vater (den er einmal als einen echten „Rudolph Valentino“ beschreibt) wie ein roter Faden durch das Buch. Dass die Erlebnisse nicht folgenlos an ihm vorbeigehen, zeigt sich daran, dass er längere Zeit mit Bettnässen zu kämpfen hat. Als sich seine Eltern scheiden lassen, bleibt der jüngere Bruder Roger (auf dessen blonde Locken Manfred immer neidisch war) bei der Mutter, Manfred dagegen zieht zum Vater nach Leipzig. Und wird genau wie dieser Stahlwerker – bei einem Arbeitsunfall holt er sich die markante Narbe auf der Stirn –, bis er es schafft, in Berlin an der Schauspielschule aufgenommen zu werden.
„Alles aus der Zeit habe ich mir gemerkt, und was ich mir nicht genau gemerkt habe, das habe ich mir ungenau gemerkt.“
Der Erzählton ändert sich im Laufe des Buches und verdeutlicht die Entwicklung vom kindlich-naiven 5-jährigen Jungen zum selbstbewussten jungen Mann. Eingeschoben in seine Biographie sind Episoden aus dem Leben seiner Urgroßmutter Johanna Krug, wie Auszüge aus einem historischen Roman, die mich ungemein faszinierten. Sie war taubstumm und verdiente ihren Lebensunterhalt als Wäscherin in Katowice, wo sie mehr oder weniger allein vier Kinder großzieht, was ihr karges Leben in einer kleinen Dachkammer nicht einfacher macht. Im Vergleich dazu ist das ihres Urenkels auch kein Zuckerschlecken, doch wie das bei Kindern oft der Fall ist, empfindet er das unstete Leben und die angespannte Situation während des Krieges und danach eher als aufregend-spannend statt beängstigend. Durch das Wechseln zwischen den beiden deutschen Staaten bekommt er zudem einen Geschmack beider Ideologien, mit der daraus resultierenden Entscheidung, sich aus Pionier- und FDJ-Organisation herauszuhalten und sich eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren, die er dann im Laufe seines Lebens immer wieder unter Beweis stellte. Ebenso machte sich schon früh sein Gesangstalent bemerkbar, mit dem er seine Oma bei einem Auftritt in der Kirche zum Weinen brachte. Und sein Gespür für freche und witzige Sprüche machte sich nicht nur in der Schule oder beim Vorsprechen an der Schauspielschule bezahlt, sondern auch, als er eine Dame beim Tanz überzeugte, wie gut sie beide zusammenpassten: „Sie sind die Steigerung von mir – ich heiße nämlich Krug, und Sie Krüger…“
Ich habe das Buch damals mit großem Vergnügen gelesen, es sind großartig geschriebene Erinnerungen an ein „schönes Leben“, und selbst wer mit dem filmischen oder musikalischen Schaffen Manfred Krugs nur wenig vertraut ist, wird seine Beschreibungen einer turbulenten Kindheit und Jugend während der 40er und 50er Jahre mehr als interessant finden. Absolut empfehlens- und lesenswert!