Dieses Buch hatte mich schon lange interessiert, logisch, als eingefleischter Beatles-Fan will man ihre Geschichte aus möglichst vielen verschiedenen Blickwinkeln sehen und wenn eine so interessante Persönlichkeit wie Pattie Boyd – die nicht nur mit George Harrison verheiratet war, sondern auch mit Eric Clapton – ihre Biografie veröffentlicht und somit ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert, werde ich natürlich neugierig. Die englische Bibliothek hatte es parat, yippie! Sehr passend hatte ich parallel auch Georges Buch „I Me Mine“ ausgeliehen, wo sich aber vor allem handschriftliche Originale seiner Songtexte und vorher unveröffentlichte, teils sehr hübsche Fotos finden, tiefere Einblicke gibt der sehr auf seine Privatsphäre bedachte Beatle kaum preis. Dafür war dann Pattie zuständig.

Quelle: retrosellers.com
Mich hatte ihre Geschichte immer fasziniert, wie sie in den 60ern als Fotomodell eine Statistenrolle im Beatles-Film „A Hard Day’s Night“ bekam (immer wieder hübsch als kicherndes Schulmädchen anzusehen), dabei George kennenlernte, ihn 1966 heiratete und wie sich später Georges Musikerkumpel Eric Clapton unsterblich in sie verliebte – so sehr, dass er nach ihrer anfänglichen Ablehnung heroinabhängig wurde. Irgendwann erbarmte sie sich seiner, verließ George für Eric („Besser er als irgendein Schwachkopf“, so oder ähnlich äußerte sich der Ex-Mann), die Hochzeit folgte 1979, doch auch diese Ehe sollte nicht für die Ewigkeit bestimmt sein. In „Wonderful Today“ erfährt man nun auch, unter welch schwierigen Verhältnissen sie aufwuchs, als Scheidungskind im Internat, teilweise sogar in Kenia bei ihren Großeltern, ihre Eltern hatten weitere Kinder mit anderen Partnern, die Häuser wechselten – bei all dem Kuddelmuddel suchte Patricia Anne, wie Pattie mit vollem Namen heißt, Halt und Anerkennung. Letzteres fand sie als erfolgreiches Model im Swinging London, eine Karriere, die auch von ihren Schwestern Jenny (die mit Mick Fleetwood verheiratet war und Donovan zu seinem schönen Lied „Jennifer Juniper“ inspirierte) und Paula eingeschlagen wurde. Ersteres suchte Pattie in ihrer Beziehung mit George, doch nach anfänglich glücklichen Jahren fühlte sie sich durch seine wachsende Spiritualität, die lange Meditationen mit sich brachte, sowie seine Aufmerksamkeiten für andere Frauen vernachlässigt. Er war sicherlich kein Engel, trotz seiner Hinwendung zum Hinduismus, seine Affäre mit Ringos damaliger Frau Maureen nehme ich ihm richtig übel, und zu seinen zahlreichen Eroberungen gehörte auch Ron Woods Gattin Krissy (Pattie revanchierte sich mit Ronnie selbst). Merkwürdigerweise führten all diese Techtelmechtel im Freundeskreis nicht zum Ende der Freundschaften, jedenfalls nicht bei den Männern. Entweder waren sie sehr tolerant, verständnisvoll oder vergesslich. Jedenfalls wurde Pattie Erics unermüdlichen Avancen immer aufgeschlossener. Er hatte auch eine Beziehung mit ihrer Schwester Paula, doch war dies anscheinend nur eine Art Ersatzbefriedigung. Als er seiner Angebeteten schließlich das für sie geschriebene flehentliche „Layla“ vorspielte, war es um sie geschehen. Am gleichen Abend noch beichtete Eric bei George und einige Zeit darauf trennte sich Pattie von ihrem Mann – ein Schritt, den sie später bereute. Bis zu seinem Tod hatte sie das Gefühl, dass George ihr eigentlicher „soul mate“ gewesen war, während sie für Eric nur eine vorübergehende Leidenschaft empfand.

Quelle: Mollie Morgan/Pinterest
Mein Alltime-Lieblingsbild von George und Pattie – die Brillen sind ein Traum
Ich hatte vor einigen Jahren Claptons Autobiografie gelesen, aber nicht mehr in Erinnerung, wie ekelhaft er sich gegenüber seiner Frau verhalten hat (wenn er es denn so drastisch geschildert hat wie Pattie, wahrscheinlich nicht). Seine Heroinsucht tauschte er gegen Alkoholismus ein, und jeder kann sich die Hölle vorstellen, die seine Frau deswegen durchmachte, wie sie selbst sogar einer Suchterkrankung gefährlich nahe kam, weil sie oft genug mittrank. Selbst ihre Hochzeit kam nur durch eine alberne Wette im Suff mit seinem Manager zustande. Während ich diese Kapitel las, konnte ich oft vor Empörung nur mit dem Kopf schütteln. Manche Frauen neigen ja dazu, unbewusst immer wieder Partner zu wählen, die sie schlecht behandeln und Pattie scheint definitiv zu dieser Gruppe zu gehören. Es gab schon ausreichend Gründe, Eric zu verlassen, bevor er ihr freudig von dem Kind erzählte, dass er mit einem italienischen Model hatte (später sollte sich sogar ein weiteres außereheliches Kind herausstellen) – während Pattie gleichzeitig immer wieder versuchte, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden, leider erfolglos. 1988 zog sie die Reißleine und reichte die Scheidung ein. Zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung 2007 war Pattie nach dem Ende einer weiteren längeren Beziehung glücklicher Single und als Künstlerin und Fotografin tätig. Zum ersten Mal seit vielen Jahren definiert sie sich nicht mehr über ihren jeweiligen Mann, sondern steht auf eigenen Beinen und das ziemlich fest.
Der Titel ihres Buches spiegelt dies wider: Sie ist „wonderful today“ – natürlich eine Anspielung auf Claptons Song „Wonderful Tonight“, zu dem sie ihn inspirierte, ebenso wie George „Something“ für sie schrieb. Als Muse dieser zwei Künstler ist sie in die Annalen eingegangen und diese Berühmtheit sorgte für den Erfolg ihrer Biografie. Die zuweilen etwas langatmig ist, chronologisch hin- und herspringt und in der sich solche Schnitzer finden, wie „1967 – George was on tour again“, wo doch jedermann weiß, dass die Beatles bereits 1966 ihr letztes Konzert gaben… Wahrscheinlich ist ihre Geschichte für Nicht-Beatles oder –Clapton-Fans auch nicht interessant genug, obwohl bald klar wird, dass sie mehr zu bieten hat als ein paar „Kiss and Tell“-Geschichten eines 60s-Starlets. Ihr Buch hat meine Erwartungen jedenfalls voll und ganz erfüllt und ist empfehlenswert für alle, die hinter die Kulissen der „Swinging Sixties“ und einiger Legender dieser Zeit schauen möchten. Oder die einfach nur mal wissen wollen, wie das denn damals genau war mit Pattie, George und Eric.